Kernfusion mittels magnetischen Einschlusses: Klingt sehr theoretisch, kann uns aber in Zukunft eine schier unerschöpfliche Energiequelle zur Verfügung stellen. Ähnlich wie bei der Laserfusion gab es auch bei der Magnetfusion vor kurzem einen großen Erfolg: Die weltgrößte Fusionsanlage namens JET (Joint European Torus) im britischen Culham erzeugte Ende 2021 59 Megajoule Energie in einem Zeitraum von 5 Sekunden – so viel wie noch nie zuvor bei einem solchen Experiment.
Heraeus Conamic ist seit 10 Jahren mit dem dortigen wissenschaftlichen Team in Kontakt. Gemeinsam haben wir die Spezifikationen des Vakuum- und Inspektionsfensters im Reaktor zur Kontrolle des Fusionsprozesses definiert. So kann ein kleines Sichtfenster eine große Wirkung bei der zukünftigen, alternativen Energiegewinnung haben.
Die Magnetfusion-Technologie ist der aktuell international meistverfolgte Weg. Von der Wissenschaft wird sie als weiter fortgeschritten und vielversprechender als die Laserfusion erachtet. Das JET-Team am Culham Centre for Fusion Energy (CCFE) leistet mit seiner kleinen Anlage quasi die Vorarbeiten zu dem wesentlich größeren Versuchs-Kernfusionsreaktor ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) im südfranzösichen Cadarache, dessen geplante Fertigstellung 2035 sich allerdings aufgrund der weltweiten Wirtschaftsturbulenzen verzögert. „Umso wichtiger war es, dass genau das Team am CCFE, mit dem wir zusammenarbeiten, diesen großen Erfolg auf dem Weg zur Energieerzeugung durch Magnetfusion erreicht hat“, zeigt sich Dr. Frank Nürnberg, Global Head of Sales Optics bei Heraeus Conamic, hocherfreut.
Bei der Laserfusion werden einzelne Atomkerne der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium durch Laserbeschuss erzeugte Strahlung komprimiert und zum Verschmelzen gebracht. Dies soll in Zukunft eine vielfache Energie im Vergleich zum Einsatz erzeugen. Das Gleiche versucht die Magnetfusion, aber hier durch magnetische Kompression. Ringförmige Magnetfelder pressen das Fusionsplasma aus den beiden Isotopen zusammen. Dadurch heizt es sich bis zur Zündung auf unvorstellbare rund 100 Millionen Grad Celsius auf. Die Anlage ist dabei kein riesiges Lasersystem von der Größe von 3 Fußballfeldern mit etlichen Quarzglas-Optiken mehr, sondern eine große Donut-förmige Vakuumkammer. Bei ITER hat sie einen Durchmesser von gut 19 Metern. Die Kunst ist jetzt, den Fusionsvorgang dauerhaft am Laufen zu halten. Bei dem zuvor genannten JET-Versuch waren es circa fünf Sekunden. Dazu ist die komplexe Beherrschung der Fusion in der sehr großen Vakuumkammer und der genauen Reaktorsteuerung erforderlich. Eine Herausforderung, zu der Heraeus mit dem Quarzglas für Fenster in der Vakuumhülle einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leistet.
Der Ort der Fusion im Reaktor muss kontinuierlich überwacht werden, unter anderem auch spektroskopisch im ultravioletten und nahinfraroten Wellenlängenbereich. Das ermöglichen kleine Gucklöcher, sogenannte Ports, in der Außenhülle. Deren Glas muss für den Blick ins Sonnenfeuer einige Besonderheiten bieten: extreme Materialfestigkeit, Temperatur- und Strahlenbeständigkeit plus hohe Durchlässigkeit über einen breiten Wellenlängenbereich. Ein Fall für synthetisches Quarzglas. „Die Umgebungsbedingungen bei der Magnetfusion sind herausfordernd für optische Materialien. Langjährige Erfahrungen und Messergebnisse bei wissenschaftlichen Anwendungen mit hoher Strahlenbelastung haben unsere Quarzgläser Suprasil und Spectrosil für diese Aufgabe qualifiziert“, erklärt Dr. Nürnberg. Folglich war es nicht verwunderlich, dass Heraeus Conamic 2023 das qualifizierte Quarzglas für die ersten Testfenster lieferte.
Neben Magnetfusionslaboren im europäischen Ausland nimmt auch Deutschland eine Spitzenposition ein. Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik betreibt beispielsweise die Versuchsanlagen ASDEX sowie Wendelstein 7-X. Aus dieser Forschungsumgebung ist als Spin-Out bereits Proxima Fusion hervorgegangen. Und mit Gauss Fusion hat sich ein weiteres Start-Up im Bereich Kommerzialisierung der Magnetfusion gar nicht weit vom Heraeus Hauptsitz in Hanau niedergelassen. In der Magnetfusion ist Bewegung – wenn auch der große Durchbruch noch auf sich warten lässt. Für Dr. Nürnberg kein Grund für Pessimismus: „Wenn die Hündin Laika in den 50er Jahren nicht ins Weltall geschickt worden wäre, würden wir jetzt nicht die Reise zum Mars planen. So sehe ich das auch mit den Entwicklungsfortschritten bei der Magnet- und Laserfusion – vor allem im Hinblick auf die realistische Möglichkeit einer weiteren grünen Energiequelle für unsere Zukunft. Heraeus Conamic freut sich daher sehr, beide Technologien mit der Bereitstellung von hochqualitativem Quarzglas unterstützen zu können.“